Soeben lud ich mein neues Buch hoch und hoffe nun wie stets, dass alles gutgeht. 🙂 Und da ich merke, dass ich doch ziemlich urlaubsreif bin (Und „Deathtroyer“ eh in diesem Jahr nicht mehr fertig wird), gehe ich jetzt in den Urlaub, zur Hölle! 🙂 Aaaw, das wird schön! Endlich wieder nach Herzenslust lesen! All die angefangenen und halb fertigen Bücher von der Buch Berlin durchsuchten!
„Aufgetaut“ ist ein richtiges Winterbuch geworden. Schön verschneit und romantisch, lustig und vielleicht ein wenig kitschig. Ich finde, das muss auch mal sein.
Das ist die Beschreibung:
Als Henrik in das malerische Dorf Ebernau kommt, trägt er nicht nur einen Rucksack voll Geld mit sich, sondern auch ein bitteres Geheimnis. Seit einem Jahr empfindet er nichts mehr. Seine Gefühle sind vereist.
Bis er Nils trifft. Der rüttelt etwas in ihm wach, das er längst verloren glaubte. Leider hasst Nils Henrik und weigert sich obendrein, sein Skilehrer zu werden. Kann Henrik ihn umstimmen? Kann er sich zurück ins Leben kämpfen und vielleicht sogar … Nils‘ Liebe gewinnen?
Uuuund Kapitel Eins:
Als Henrik in Ebernau ankam, hatte er nichts dabei als seine viel zu dünne Kleidung und einen Rucksack voll Geld. Ordentlich gebündelte 100- und 200-Euro-Scheine, die darauf warteten, sinnlos verschwendet zu werden.
Teilnahmslos schaute er sich auf dem Bahnsteig um. Ebernau sah aus, als wäre es einer Weihnachtspostkarte entsprungen. Malerische Fachwerkhäuser mit wölkchendampfenden Schornsteinen drängten sich aneinander. In der kalten Luft schwebte Lagerfeuergeruch. Tannen stachen aus der dichten Schneedecke und dekorierten die atemberaubende Bergkulisse.
Das Bahnhofsgebäude vor ihm hatte man aus roten Ziegelsteinen erbaut. Es war mit kleinen Erkern und dem Wappen der Kleinstadt verziert worden: einem toten Eber. Henrik betrachtete das auf dem Rücken liegende Tier, dem drei Speere aus dem Bauch ragten, mit trüben Augen. Er sah sich auf dem Bahnsteig um, auf dem jeder außer ihm ein Ziel zu haben schien.
Laute Schritte trampelten über die rauen Pflastersteine. Touristen, eindeutig. Wohlhabende Touristen in teuren Skiausrüstungen.
Mehr Sonnenbrillen als am Strand, dachte er.
Er konnte sich nicht erinnern, ob es damals schon so gewesen war. Als Kind hatte er sich für andere Dinge interessiert.
Zwei Stunden später war er im Besitz mehrerer hochwertiger Winter-Outfits und eines silbernen Prepaid-Handys. Und eines schwarzen. Und eines weißen. Er hatte sich nicht entscheiden können. Er nahm ein Taxi zu dem kleinen Chalet, das er gemietet hatte. Erklärte der Besitzerin, dass seine Eltern nachkommen würden und er solange die Stellung hielt. Er zahlte die Kaution in bar.
Henrik hoffte, dass etwas passieren würde, wenn er in demselben Haus übernachtete, in dem sie damals gewohnt hatten. Irgendetwas. Er wusste nicht, was.
Leider geschah nichts. Er schlief in der rotweiß karierten Bettwäsche so schlecht, wie er zuhause geschlafen hatte. Die Flammen aus dem riesigen Kamin konnten ihn nicht wärmen. Die Luft schien so schwer, dass er fast erstickte. Die dunkle Wohnung rief ein paar Erinnerungen wach. Aber keine Gefühle.
Seine Brust war immer noch vereist.
Also ging er am nächsten Tag in eine der Après-Ski-Hütten, gab eine Runde aus und war sofort enorm beliebt. Vor allem bei der einheimischen Jugend und bei den Touristen in seinem Alter. Die, die mit ihren Eltern hier waren. Sie nannten ihn »Henry«, ein Spitzname, den er immer bekam. Er behauptete, sein Nachname wäre Berger, der erste Name, der ihm eingefallen war. Lag vermutlich an der Bergkette hinter dem Fenster der Hütte.
Am nächsten Abend gab er eine Party, um nicht länger dem traurigen Knarren der Bodendielen lauschen zu müssen. Das machte ihn noch viel beliebter.
Er wünschte sich wirklich, er könnte sich darüber freuen.
»Henry!«
Dieser rothaarige Kerl … genau, Moritz, drängte sich durch den Trubel zu Henrik. Er ließ sich auf das Sofa plumpsen, neben Henrik und das Mädchen, das gerade schlanke Finger mit hellblauen Nägeln unter Henriks Shirt schob. Er war nicht sicher, wie sie hieß. Hatte sie sich vorgestellt?
Gleichgültig betrachtete er das Treiben. Das Lachen, Gläserklirren und die wummernde Musik. Irgendwer hatte Lautsprecher mitgebracht.
»Henry, du bist in Ordnung!«, grölte Moritz. Henrik war nicht in Ordnung, aber das schien niemand zu merken. Na ja, sie kannten ihn ja auch nicht.
»Danke, mein Freund.« Henrik prostete Moritz zu und hob gespielt vornehm eine Augenbraue.
Moritz lachte laut auf. Jemand stolperte über seine langen Beine, fing sich aber wieder. Ein Mädel, das nur eine Skihose und einen rot-schwarzen Sport-BH trug. Und sie war nicht die einzige leicht Bekleidete. Da hinten stand ein Typ, der nur ein Handtuch umhatte. Ah, sie hatten wohl die Sauna entdeckt. Henrik nahm einen Schluck von seinem Bier und fragte sich, ob es das vierte oder das fünfte war. Oder gar das achte?
»Und?« Moritz warf dem Mädel neben Henrik einen vielsagenden Blick zu. »Amüsiert ihr euch?«
»Tun wir.« Sie lächelte Moritz süßlich zu und rückte noch näher an Henrik heran. »Verzieh dich, Mo.«
»Whoah!« Moritz hob abwehrend die Hände. »Keine Panik, ich will deinen Kerl nicht klauen!« Er zwinkerte Henrik zu. »Soll ich dein Schlafzimmer räumen lassen? Sieht aus, als würdest du das gleich brauchen.«
»Wer ist denn in meinem Schlafzimmer?«, fragte Henrik und ignorierte das Nicken des Mädchens. Sie hieß Eva, erinnerte er sich. Das hatte sie ihm ins Ohr geflüstert, bevor sie ihm um den Hals gefallen war.
»Alter, mindestens … fünf Leute? Hab drei Mädels gezählt und, keine Ahnung, Kerle interessieren mich nicht«, sagte er mit einem Blick auf Eva, die ihn immer noch warnend anschaute. »Echt.«
»Wer’s glaubt« Sie gähnte elegant.
Der scharfe Duft ihres Parfüms kitzelte Henriks Nase. Ihre Finger krabbelten über seine Brust. Vorsichtig packte er ihre Hand und schob sie von sich weg. Sex konnte das Eis nicht schmelzen, das wusste er. Er hatte es oft genug versucht.
»Und, kommst du morgen mit auf die Piste?«, fragte Moritz und stieß Henrik einen Ellenbogen in die Rippen. »Grigori meint, er schafft die Abfahrt am Gneislerhang, aber ich wette um hundert Euro, dass er kneift. Hältst du dagegen?«
Er streckte die Hand aus und Henrik schlug ein. Moritz jubelte. Begeisterungsfähig war der Kerl … Für einen Moment wünschte Henrik sich, wie Moritz zu sein. Auch wenn Eva ihn dann keines Blickes gewürdigt hätte.
»Falls Grigori es schafft, werd ich mich auf dein Wort verlassen müssen«, sagte Henrik leichthin. »Ich kann nicht mitkommen.«
»Waaas?« Moritz‘ Augen wurden kugelrund. »Warum nicht? Sind wir dir nicht gut genug, Monsieur Hochwohlgeboren?«
»Nein, ich kann nicht Ski fahren.«
Moritz schaute ihn an, als hätte Henrik ihm soeben verkündet, dass er an einer tödlichen Krankheit litt.
»Du kannst nicht … was?«
Zwei Jungs in teuren Pullovern stürzten auf das Sofa zu, stießen mit Henrik an, brüllten »Henry!!!« als wäre das der Name eines Fußballvereins und verschwanden wieder in der Menge. Henrik tat so, als wüsste er, wer sie waren.
»Du kannst nicht Ski fahren, Alter?« Moritz beugte sich zu ihm vor. Seine spitze Nase berührte Henriks fast. »Aber was machst du dann in Ebernau? Wir sind ein gottverdammter Skiort, wo man … halt Ski fährt. Deshalb kommt ihr Geldsäcke doch her.«
Henrik zuckte mit den Achseln. »Hab’s nie gelernt. Ist das so schlimm?«
»Ja!« Moritz war ehrlich entsetzt. »Du musst … Du musst das unbedingt lernen. Sofort. Oder, Eva?«
»Verpiss dich endlich, Mo«, brummte sie und versuchte, ihre Fingernägel über Henriks Designer-Jeans tanzen zu lassen. Er stoppte sie auf der Mitte des Oberschenkels.
»Natürlich muss er Ski fahren lernen. Henry!«
Wieder kam seine Nasenspitze näher. Henrik fragte sich, was Mo tun würde, wenn er sich ebenfalls vorbeugen und ihn einfach küssen würde. Das hatte er einmal getan, auf der Halloweenparty von … irgendwem. Nur aus Interesse. Er hatte erwartet, sich eine Ohrfeige einzufangen, aber stattdessen hatte der andere Kerl ihn zurückgeküsst. Und ihm danach nie wieder in die Augen geschaut. Es hatte ihm gefallen, damals. Aber das war früher gewesen, bevor …
»Henry! Konzentrier dich!« Moritz schnipste mit den Fingern vor Henriks Gesicht herum. »Du brauchst einen Skilehrer, Junge!«
»Brauch ich den?«, fragte Henrik kühl. Moritz schien kurz verunsichert.
»Ja … natürlich nur, wenn du willst.«
Henrik dachte nach. Er hatte damals versucht, Ski fahren zu lernen, hatte sich aber als absolute Vollkatastrophe erwiesen. Seine Mutter hatte gesagt, das hätte er von ihr. Sie war ganz und gar unsportlich …
»Klar, warum nicht?« Er zuckte mit den Achseln. »Kennst du ’nen guten Skilehrer?«
»Für … Privatstunden?«, fragte Moritz.
»Natürlich nimmt er Privatstunden.« Eva verdrehte die Augen. »Er ist nicht so ein armer Schlucker wie du, Mo. Oder wie der Rest von Ebernau.«
Zum ersten Mal huschte etwas wie Ärger über Moritz‘ Gesicht. Seine Augen blitzten Eva an. Eine Sekunde später strahlte er schon wieder. Henrik wusste, dass er mal wie Mo gewesen war. Aber jetzt brachte er nicht mal die Energie auf, sich vom Sofa zu erheben. Gut, das konnte auch am Bier liegen.
»Henry, ich kenn genau den richtigen Mann für dich. Meinen besten Freund.« Moritz nickte zufrieden. »Der bringt dir in Nullkommamix alles bei und du saust die Hänge runter wie ein junges Kaninchen.« Moritz hatte eindeutig auch einen im Tee.
»Du meinst doch nicht etwa Nils?« Evas Augen wurden schmal. »Bist du bescheuert?«
»Wieso, der ist doch super. Seine Mutter ist auch Skilehrerin. Und Nils hat seinen ganzen Geschwistern Skifahren beigebracht und was ist sein Bruder jetzt? Vize-Champion der Snowboard-Junioren oder wie das heißt.«
»Ja, aber Nils.« Eva schüttelte den Kopf. »Als Lehrer. Für … ihn.«
Ihr hellblauer Fingernagel deutete auf Henrik.
»Was ist mit mir?«, fragte Henrik. »Bin ich nicht hübsch genug?«
»Klar bist du hübsch genug«, schnurrte sie und schon lag ihre Hand wieder auf seiner Brust. »Hübsch genug für … alles.«
»Du trägst ganz schön dick auf, Eva«, sagte Mo.
Ihre Augen wurden noch schmaler. Henrik rechnete halb damit, dass Gammastrahlen herausschießen und Mo vaporisieren würden.
»Ne«, sagte Moritz. »Nils ist manchmal ein bisschen speziell, wenn … na, wenn er mit Leuten von oben zu tun hat, aber …«
»Von oben? Was meinst du damit?«
»Na, hier oben am Hang stehen die besten Hütten. Die für die Superreichen. Weiter unten sind die normalen Ferienhäuser. Und unten im Tal … Ebernau.«
»Ich bin nicht superreich«, log Henrik, aber die beiden glaubten ihm eh kein Wort. Irgendwie waren alle schwer beeindruckt von diesem Mini-Chalet mit den rustikalen Möbeln. Gut, die Einrichtung kam eindeutig von Sepp-Gerard Grachtlberger, einem der größten Möbeldesigner im Landhaus/Berghaus-Stil. Aber es gab nur drei Zimmer. Große Zimmer, okay. Das Wohnzimmer nahm fast die gesamte untere Etage ein. Trotzdem …
»Jedenfalls ist Nils ein guter Skilehrer«, sagte Moritz mit fester Stimme. »Ein sehr guter. Vielleicht sogar der beste.«
»Jetzt trägst du aber dick auf«, murmelte Eva.
»Und wenn du willst, ruf ich ihn an. Ich weiß, dass er gerade einen Job sucht. Weißt du, seine Mom …«
»Henry interessiert sich nicht für die gesamte Lebensgeschichte von Nils.« Eva stöhnte genervt auf. »Und das wird eh nichts.«
»Wird es wohl.«
»Wird es nicht.«
»Wird es …« Moritz sah Henrik an wie ein Welpe, der zu absolut allem bereit war. »Soll ich ihn anrufen?«
Henrik verspürte einen Hauch von Interesse. Was mehr war, als er seit einer ganzen Weile verspürt hatte.
»Ruf ihn an«, sagte er gnädig. Moritz sprang auf und zückte in der gleichen Bewegung sein Handy.
»Nils, Alter!«, brüllte er durch den Partylärm in das Gerät. »Ich hab einen Job für dich!«
Dann war er im Trubel verschwunden.
»Ach, du wolltest ihn nur loswerden?«, schnurrte Eva. »Das war echt clever von dir.«
»Nein.« Henrik nahm einen Schluck von seinem Bier. »Ich will Skifahren lernen.«
»Warum denn so plötzlich?« Eva machte einen Schmollmund, der bestimmt sehr sexy war.
»Ich weiß nicht. Klingt lustig, oder?« Henrik betrachtete die schwankende Meute vor seinen Augen. Oder schwankte er? Egal.
»Na ja.« Eva schien hin- und hergerissen zwischen ihrer Verachtung für Moritz und dem Wunsch, Henrik in allem zuzustimmen. »Wenn Mo ’ne Idee hat, ist sie immer schlecht.«
»Was hast du gegen Mo?«, fragte Henrik.
»Er ist nicht du.« Sie lächelte. Als er nicht reagierte, blinzelte sie verunsichert. »Na, er ist … ein Dorftrampel. Ich weiß, ich weiß, Ebernau ist angeblich eine Kleinstadt. Da sind wir super-stolz drauf.« Sie schnaubte verächtlich. »Aber die Jungs hier kannst du vergessen. Die interessieren sich nur fürs Saufen und so.«
Henrik betrachtete die fast leere Bierflasche in seiner Hand.
»Wenn du trinkst, ist das was anderes«, beeilte sie sich, zu sagen. »Du bist so … kultiviert. Man sieht dir das irgendwie an. Dass du … du weißt schon.«
»Dass ich Geld habe?« Seine Stimme war ausdruckslos. Was tat er hier überhaupt?
»Nein! Dass du … Kultur hast.« Sie schmiegte sich an ihn und er rückte ein Stück ab. Versuchte es zumindest. Plötzlich saß ein weiteres Mädchen neben ihm. Ihre Haare waren so hellbraun und glatt wie Evas. Einen Moment lang hielt er sie für Zwillinge, bis er die Unterschiede in ihren Gesichtern erkannte. Das neue Mädel reichte ihm eine grüne Flasche, an der Feuchtigkeit abperlte.
»Für dich.« Sie grinste frech. »Prost, Henry!«
Er nickte und stieß mit ihr an. Neben sich spürte er eine Wolke aus purem Hass. Eva lehnte sich über ihn, so weit, dass er die Tätowierung auf ihrem Rücken erkannte. Die spitzen Blüten einer Christrose schauten unter ihrem Shirt hervor.
»Was willst du hier?«, zischte sie. Wie eine Raubkatze, die sich mit einer anderen um ein fettes Stück Fleisch stritt.
»Sitzen.« Das neue Mädel grinste noch breiter. Ihre weißen, leicht unregelmäßigen Zähne blitzten. Noch eine von »unten« vermutlich. Ob jemand Geld hatte, konnte man meist an der Qualität ihrer Kieferorthopäden erkennen.
»Setz dich woanders hin«, blaffte Eva. Die Andere beachtete sie nicht.
»Hi, ich bin Amelie.« Ihre Schulter stieß gegen Henriks. »Wie in dem Film, weißt du?«
»Aha.« Er nahm einen Schluck aus der neuen Flasche. Eiskalte Flüssigkeit rann seine Kehle hinunter.
»Super, Trampelie«, zischte Eva. »Du hast dich vorgestellt. Und jetzt verpiss dich.«
»Oder was?« Amelie verschränkte die Arme und sah Eva herausfordernd an.
»Oder ich zerr dich an den Haaren raus.«
»Ha!« Amelie lachte rau. »Das will ich sehen.«
»Wirst du gleich, wenn du nicht aufpasst. Ich kann dich hier genauso schnell rauswerfen, wie ich heute Mittag an dir vorbeigezogen bin.«
»Einen Scheiß bist du.« Amelies pink glänzende Lippen verzogen sich spöttisch. »Dir hab ich doch die Fresse gepudert. Du hast ausgesehen wie ein Schneemann. Na, oder wie eine Schnee-Kuh.«
Sie stritten sich hin und her und ignorierten Henrik, was ihm ganz recht war. Er konnte eh nicht folgen. Es ging um irgendeine Ski-Rivalität, aber all die Fachausdrücke waren ihm fremd. Gab es eine Art Ski-Slang? Vermutlich.
Er wusste nicht, wie lange die beiden links und rechts von ihm saßen und sich über seinen Kopf hinweg mit Worten duellierten. Recht hässlichen Worten zum Teil. Irgendwann hörte er nicht mehr zu. Gab sich ganz dem Rausch hin, den dröhnenden Bässen, dem sanften Murmeln aus fünfzig Kehlen, dem lieblichen Klirren der Gläser …
Plötzlich stand Moritz vor ihm und brüllte ihm ins Gesicht.
»Henry!« Er strahlte. »Wach auf, ich hab deinen Skilehrer mitgebracht. Das ist Nils.«
»Hmwas?« Henrik blinzelte.
Ein Gigant schälte sich aus der Menge. Ein dunkelblonder Gigant. Breitschultrig und mächtig, dessen abgetragene, schwere Stiefel über den Holzboden polterten, als würde er über ein Schlachtfeld schreiten. Ungefähr so missmutig, als würde er in den Krieg ziehen, sah er auch aus.
Der verächtliche Blick des Kerls wanderte über die Feiernden, als wollte er ihnen allesamt den Hals umdrehen. Er hatte helle Augen. Hellgrüne. Lindgrüne, die Farbe von jungen Blättern … Henriks Kopf rutschte zur Seite und der Wikinger … ja, er sah aus wie ein Wikinger, dem man versehentlich einen Haarschnitt verpasst hatte … ging plötzlich waagerecht.
Henrik blinzelte. Der Typ war vor ihm stehengeblieben. Ha. Von nahem sah er jünger aus. Kaum jünger als Henrik selbst. Konnte das sein? Dann wäre er … achtzehn. Ne, das konnte nicht …
Henrik richtete sich auf. Starrte diesen Nils müde an. Moritz deutete auf ihn, als würde er eine Kirmesattraktion präsentieren.
»Nils ist der beste Skilehrer von ganz Ebernau. Mindestens.«
»Hallo«, sagte Henrik kraftlos. Irgendetwas war anders an dem Kerl. Irgendetwas … Moritz stemmte die Hände in die Hüften.
»Na, was sagt ihr? Nils?«
Der durchbohrte Henrik mit seinem stechend grünen Blick. Seine Lippe verzog sich, als wollte er die Zähne fletschen.
»Was ist denn das für ein Arschloch?«, knurrte er.
Mit einem Mal wurde es ruhiger. Die Mädels, die sich anscheinend weiter gestritten hatten, verstummten. Moritz starrte seinen Kumpel an.
»Mann, Nils«, zischte er. »Ich hab dir gesagt, dass er in Ordnung ist.«
»Er ist ein Arschloch.«
Bitte? Doch, Nils deutete ganz klar auf ihn. Henrik.
Der richtete sich auf.
»Nils …« Moritz schien die Situation sehr unangenehm zu sein. »Er ist wirklich okay. Und er sucht einen Skilehrer.«
»Kein Interesse.«
Und dann drehte dieser Nils sich einfach um und stapfte davon. Die wogende Menge verschluckte seinen Körper und sie sahen nur noch seinen Schädel, der sich auf die Tür zubewegte.
»Ich hab’s dir gesagt«, flötete Eva.
»Ach, Scheiße!«, rief Moritz. »Henry, ich …«
Henrik erhob sich schwankend. Was erlaubte dieser … Depp sich? Er war überhaupt kein Arschloch! Und selbst wenn … Wie sollte man das mit einem Blick erkennen?
»Henry!«, rief Moritz, als er an ihm vorbeistürmte. »Wo willst du hin?«
»Diesen Wichser zurückholen«, knurrte Henrik. Oder lallte er? »Wenn der glaubt, er kann mich einfach beleidigen, dann hat er sich geschnitten.«
Er zögerte.
»Und wenn er denkt, er kann einfach so … nicht mein Skilehrer werden, auch.«
So sieht’s aus! 😀 Frohes Fest euch allen!