„Ebernau 4: Winterchaot“ Leseprobe und Cover

Ebernau 4 ist da! Joshs Geschichte heißt (natürlich!) „Winterchaot“ und ist, meiner bescheidenen Meinung nach, der krönende Abschluss der Reihe. Ich mag ihn einfach. 🙂

Ab sofort und für immer erhältlich auf Amazon und demnächst auch als Print. Und nun zum Klappentext:

Der letzte Winter – diesmal in Überlänge!

Zwei ältere Brüder zu haben ist hart. Vor allem, wenn man Josh Winter heißt, beide Brüder schwul sind und einem deshalb alle unterstellen, auch schwul zu sein. Dabei ist Josh doch in Anna verliebt! Anna, die sich leider nur für den Neuen in Joshs Klasse interessiert.
Lucian ist alles, was Josh nicht ist: wunderschön, cool, aus der Großstadt, in einer Band … und von einem düsteren Geheimnis umgeben. Irgendwie muss Josh ihn doch ausstechen können, oder? Selbst ein kindischer Chaot wie er muss in irgendetwas besser sein als dieser arrogante, viel zu attraktive Kerl, der selbstverständlich überhaupt keine kribbligen Gefühle in Josh weckt. Er steht ja nicht auf Männer. Überhaupt nicht.
Aber was ist mit Lucian?

Enthält: Kröten, kreative Maltechniken, Missverständnisse, Männererotik und die langsamste Liebesgeschichte von ganz Ebernau.

LESEPROBE:

1. Ärger

Der Neue betrat die Klasse und Josh Winter wusste, dass er ein Problem hatte. Nein, eigentlich wusste er es zwei Sekunden später, als er Anna leise keuchen hörte. Anna mit den wunderschönen Bernsteinaugen und der süßen Stupsnase. Anna, in die Josh seit Monaten verliebt war. Leider war sie nicht in ihn verliebt. Wirklich nicht. Er hatte sie gefragt. Und ihre Antwort war genau die gewesen, die er gefürchtet hatte.

»Na ja.« Sie hatte, halb erfreut, halb peinlich berührt, zu Boden gesehen, als er ihr seine Gefühle gestanden hatte, auf der Silvesterparty von Dean. Lärm, Rauch und bierseliges Grölen waren bis in das Nebenzimmer gedrungen, in dem sie allein gewesen waren. »Weißt du, Josh, du bist nett, aber … mehr so wie ein Bruder oder ein … Kumpel. Sorry, ich weiß, wie das klingt. Und, also, du weißt schon.«
»Was weiß ich?«, hatte Josh hervorgebracht, obwohl sein Brustkorb sich angefühlt hatte, als hätte Anna die Rippen auseinandergebogen und sein Herz mit einem Akkuschrauber bearbeitet.
Sie fuhr sich durch die wunderschönen braunen Haare. »Ich hätte eh Angst, dass du nachher doch schwul bist.«
»Ich bin nicht schwul«, hatte er gekrächzt, ungefähr zum hunderttausendsten Mal in seinem Leben.
»Deine ganze Familie ist schwul.«
»Gar nicht wahr«, hatte er gesagt. »Meine Schwester ist lesbisch.«
Anna hatte ihn angesehen, als würde das ihr Argument noch bekräftigen. Ihr niedlicher Mund hatte sich verzogen und sie hatte sich die echt superhübschen Augen gerieben.
»Ich könnte einfach nie sicher sein. Und … Du weißt schon.«
Er wusste es wieder nicht. »Was?«
»Du siehst irgendwie aus wie so ein Rothaariger.«
Josh hatte sich eine Strähne seines Haares vor die Augen gezogen, um zu überprüfen, ob sie in den letzten Stunden spontan die Farbe gewechselt hatten. Hatten sie nicht. Immer noch waren sie dunkelschlammbraun.
»Ein Rothaariger, der sich die Haare gefärbt hat«, beeilte sie sich, zu sagen. »Mit deinen Sommersprossen und so. Ich meine, das ist nicht schlimm, aber … irgendwie nicht sexy.«
»Oh.«
»Und außerdem …«
Josh war zurück auf die Party getaumelt, bevor ihr noch mehr Mängel einfallen konnten.
Zwischen den lärmenden und saufenden Leuten, die auf das neue Jahr angestoßen hatten, war er auf einen Sessel gesunken und hatte versucht, nicht zu heulen. Hatte weitestgehend geklappt. Zum Glück war die Luft so rauchgeschwängert gewesen, dass seine feuchten Augen normal gewirkt hatten. Dean war vorbeigetorkelt und hatte Josh gewünscht, dass er im nächsten Jahr einen netten Kerl kennenlernen würde. Am besten schnell. Josh wusste, dass Dean mit allen möglichen Leuten eine Wette darüber abgeschlossen hatte, wann Josh sich endlich outen würde. Anscheinend hatte er auf Anfang Januar getippt.
Es war eine beschissene Art gewesen, das neue Jahr zu beginnen.

Aber heute Morgen, am ersten Tag nach den Sommerferien, war Anna Josh auf dem sonnenüberfluteten Hof begegnet. Total hübsch in ihren Jeansshorts und dem grauen Shirt. Sie hatte ihm zugelächelt.
»Josh«, hatte sie im Vorbeigehen gerufen. »Gut siehst du aus!«
Sein Herz hatte so wild gehämmert, dass er es nicht geschafft hatte, zu antworten. Oder ihr zu sagen, dass sie noch viel, viel besser aussah. Tat sie nämlich. Eigentlich hatte er beschlossen, sie zu vergessen, jetzt, endlich, aber … er hatte sich nicht gegen die Hoffnung wehren können, die sich in ihm ausgebreitet hatte.
Und dann, in der ersten Stunde, hatte sie sich neben ihn gesetzt und ihm von ihren Ferien erzählt und es war absolut magisch gewesen, wie sie von ihrem Mallorca-Urlaub berichtet hatte. Wie ihr sanfter Duft nach Honigshampoo und Sonnencreme zu ihm hinübergeweht war. Joshs ganzer Körper hatte gekribbelt vor Glück.

Dann war alles schiefgegangen.

»Darf ich Ihnen Ihren neuen Mitschüler präsentieren?«, schnarrte Herr Fußinger deprimiert. Er verkraftete das Ende der Sommerferien stets am schlechtesten. »Lucian Grahl.«
In einer Kleinstadt wie Ebernau gab es selten Neuzugänge, also starrten alle den Kerl an, als wäre er eine totale Sensation. Aber das war nicht der einzige Grund: Der Neue war der attraktivste Mann, den Josh je gesehen hatte. Nein, er war nicht plötzlich doch schwul geworden. Er hatte einfach Augen im Kopf.
Der Typ, der vollkommen gelassen nach vorne schlenderte, müde grinste und »Hi«, sagte, sah aus, als wäre er irgendeinem Bandplakat entsprungen. Komplett schwarz gekleidet, mit dunklen, welligen Haaren, geschwungenen Lippen, breiten Schultern und einer so schmalen Taille, dass die Hose bestimmt nur hielt, weil sie viel zu eng war.
Anna keuchte auf und Josh wusste mit absoluter Sicherheit, dass er den Neuen bis ans Ende seines Lebens hassen würde. Er wagte es kaum, den Kopf zu wenden. Als er es doch tat, wünschte er sich, er hätte es gelassen. Annas Augen glänzten wie 1000-Watt-Scheinwerfer, während sie den Trottel anschmachtete. So wie alle Mädels der Klasse. Aber die anderen konnten so viel starren, wie sie wollten. Nur Annas offensichtliche Begeisterung schmerzte. So stark, dass Josh einen Moment lang nicht atmen konnte.
Du blöder Mistkerl, dachte er und sah den Neuen aus zusammengekniffenen Augen an. Der blickte nicht zurück. War wohl zu arrogant.
Er schien überhaupt kein Problem damit zu haben, angestarrt zu werden. Vermutlich war er das gewohnt, der Angeber. Vollkommen ruhig steckte er die Hände in die Hosentaschen und wartete darauf, dass Herr Fußinger ihn ausführlicher vorstellte. Ein Tattoo ragte aus dem Ausschnitt von Lucians dunklem Shirt. Josh erkannte einen schwarzen Kreis, zwei Fühler und die leeren Höhlen eines Totenschädels. Seltsam, warum kam ihm das bekannt vor?
Er sank in seinem Stuhl zusammen und wollte nur noch heim. Anna seufzte leise.
»Lucian ist mit seinen Eltern nach Ebernau gezogen und wird das letzte Schuljahr mit uns verbringen«, murrte Fußinger. »Er kommt aus Hamburg.«
Auch das noch. Eine richtige Großstadt. Josh sah aus den Augenwinkeln, wie seine Klassenkameraden sich vorbeugten. Nur Dean und Dennis lümmelten sich extra-selbstbewusst in ihren Stühlen und sahen den Neuen abschätzig an. Er beachtete sie nicht.
»Lucian, erzähl halt was über dich.« Herr Fußinger schleppte sich zu seinem Pult und setzte sich, langsam wie ein Achtzigjähriger. Dabei war er erst Anfang dreißig. Einmal war Josh ihm auf dem Weihnachtsmarkt begegnet, und sein Lehrer hatte mit glühweingeschwängertem Atem geklagt, dass er sich seinen Job so nicht vorgestellt hatte. Er zähle die Tage bis zur Rente. Mussten noch viele sein, so wie er sich die Augen rieb und seufzte.
Lucian kratzte sich am bloßen Arm und sah an die Decke. Selbst das wirkte nicht unsicher, sondern cool. Ja, der Drecksack schien umgeben von einer undurchdringlichen Rüstung aus Coolness.
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen«, sagte er und natürlich war seine Stimme dunkel, voll und melodisch. Blödi. »Meine Eltern haben die alte Metzgerei übernommen und richten da eine Kunstgalerie ein. Meine Mutter kommt aus Ebernau. Ich war leider nur einmal hier, und da war ich noch ganz klein, aber jetzt bleiben wir. Wir müssen uns um meine Oma kümmern, weil sie nicht mehr ganz fit ist.«
Anna seufzte erneut. »Wie lieb«, hörte Josh von weiter hinten. Sein Kopf sank auf die verschränkten Arme. Hoffnungslosigkeit machte sich in ihm breit.
»Ich, hm, spiele Gitarre und habe in Hamburg Capoeira gemacht. Weiß nicht, ob ich damit hier weitermache oder mir was anderes suche. Mal sehen, was Ebernau so zu bieten hat.« Wieder dieses unverschämte, schräge Grinsen. Weiße Zähne. Schwarze Augen.
Wie ein Hai, dachte Josh trübselig.
Der Neue zuckte mit den Achseln. »Habt ihr irgendwelche Fragen?«
Drei Hände schossen hoch. Anna sprach, bevor es irgendjemand sonst tun konnte.
»Du bist in dieser Band, oder? Die, die beim Summer Open Air in Ravensburg aufgetreten ist? Ich hab euch gesehen!«
Nein! Josh schluckte. Der Neue fuhr sich durch die Haare, als wäre es ihm irgendwie peinlich. Er sah zu Boden.
»Ja, das waren wir. Iguana Bullet. Wir hatten echt Glück in diesem Jahr.« Er verzog das hübsche Gesicht. »Wir hatten jede Menge Gigs und haben ’ne Menge Festivals gespielt. Kein Wunder, dass ich sitzengeblieben bin.«
»Sitzengeblieben? Du bist schon achtzehn?« Annas Stimme war ein andachtsvolles Flüstern. Lucian nickte.
Josh war schlecht. Er war auch achtzehn und ein Sitzenbleiber, aber irgendwie hatte das Anna nie beeindruckt. Vielleicht, weil er nicht sitzengeblieben war, weil er über coole Festivals getourt war, sondern weil er ein planloser Chaot war, der dauernd seine Hausaufgaben vergaß.
Fünf weitere Hände schossen in die Höhe. Die Atmosphäre im Raum veränderte sich. Eine Begeisterung, die er hier noch nie erlebt hatte, packte jeden einzelnen von Joshs Klassenkameraden.
»Wart ihr nicht sogar in den Charts oder so?« Monas Augen waren rund wie Suppenteller.
»Nur kurz«, sagte Lucian.
Hör auf, so bescheiden zu tun, dachte Josh.
»Wie lange?«, fragte Dennis und gab sich Mühe, höhnisch zu klingen.
»Fünf Wochen. Die höchste Platzierung war, glaube ich, die Nummer zwölf.« Wieder erschien das schräge Grinsen. »Wolf, unser Schlagzeuger, war stinksauer, dass er so einen kommerziellen Scheiß-Song geschrieben hat.«
Gelächter. Helles Kichern von Anna. Der Raum stank vor Bewunderung. Josh versuchte, mit seinem Tisch zu verschmelzen und in eine andere Dimension zu versinken. Anna hob wieder die Hand.
»Wie fühlt sich das an, wenn man auf einer Bühne steht?«, fragte sie. Ihre Stimme war ein einziges Seufzen.
»Oh, gut«, sagte Lucian. »Verdammt gut.«
»Was für andere Bands habt ihr getroffen, Lutschen?«, fragte Bastian.
»Lucian«, korrigierte Lucian, als hätte er das schon tausendmal gemacht. »Also, in Ravensburg standen wir mit Hamster of the Week auf der Bühne und …«
Der Rest der Stunde wurde nicht besser. Lucian badete in der Bewunderung der Klasse und Josh wurde deutlich vor Augen geführt, dass der Neue ihm in absolut allem überlegen war. In wirklich allem. Er hätte sein rechtes Bein dafür gegeben, dass Anna ihn nur einmal so ansah wie Lucian. Sein einziger Trost war, dass eine Hälfte der Klasse Lucian »Lutschen« nannte und die andere »Luschen«. Ein sehr schwacher Trost. Josh hätte ihn gern »Lusche« genannt, aber der Neue konnte ja nichts dafür, dass Anna auf ihn stand. Und Anna konnte nichts dafür, dass sie auf den Neuen stand. Wie hätte sie nicht auf ihn stehen können?
Josh seufzte leise.
Das wird ein beschissenes Schuljahr, dachte er.

2. Frisch eingetroffen

Ehrlichkeit ist das erste Kapitel im Buch der Weisheit. Das hatte Lucians Vater gesagt. Okay, eigentlich hatte Thomas Jefferson das gesagt, aber Lucians Vater hatte ihn zitiert. Und Lucian wollte ehrlich sein, auch wenn es ihm eine Höllenangst einjagte. Selbst wenn sein Nacken von kaltem Schweiß bedeckt war, während er vor seiner neuen Klasse stand. Die wirkten ganz nett. Neugierig, klar, aber nur die zwei blonden Typen ganz hinten sahen ihn irgendwie feindselig an. Da war Lucian Schlimmeres gewohnt.
Es gab noch einen anderen, der ihn nicht mit strahlenden Augen anblickte: Der niedliche Braunhaarige, der am Fenster saß und schaute, als würde er sich am liebsten von einer Brücke stürzen. Was der wohl hatte?
Lucian erzählte irgendwas darüber, warum er hier war, und stellte sich vor, dass er auf der Bühne stehen würde. Das half gegen die Nervosität. Er war immer noch zittrig, aber man merkte es ihm nicht mehr an.
Wenn jemand fragt, sage ich die Wahrheit, dachte er. Ich verstecke mich nicht mehr.
Das Mädchen im grauen Top hob die Hand und stellte eine Frage. Nicht die, die er heimlich fürchtete, aber eine, die er genau so wenig beantworten wollte.
»Du warst in dieser Band, oder?«
Er seufzte innerlich. Ach, das. Aber er sagte die Wahrheit, echt und ehrlich. Plötzlich glotzten ihn alle an, als wäre er … irgendetwas, aber auf keinen Fall ein Mensch. Ein Halbgott, hatte John, ihr Sänger, gesagt. Der freute sich über die Aufmerksamkeit. Lucian wäre ganz gern mal wie ein normaler Mensch behandelt worden, aber anscheinend bestand die Welt darauf, ihn entweder als einen Star oder als totalen Dreck zu sehen. Selbst die beiden Blonden wirkten beeindruckt. Nur der Braunhaarige behielt seine deprimierte Miene bei. Lucian mochte ihn.
»Habt ihr euch getrennt, oder warum bist du hier?«, fragte einer der Blonden, in einem schwachen Versuch, ihn zu provozieren. »Also du und deine Band. Du kannst ja schlecht touren, wenn du bei uns bist, oder?«
Lucian schenkte ihm einen verächtlichen Blick. »Wir machen ein Jahr Pause. Wegen dem ganzen Touren haben wir alles andere vernachlässigt. Jetzt müssen wir das erstmal nachholen. John und ich holen das Abi nach, Medos macht seine Ausbildung fertig und Wolf seinen Bachelor. In einem Jahr geht’s weiter.«
»Ach so.« Das Mädel im grauen Top bekam Sternchenaugen. »Dann schreibt ihr neue Songs und so?«
Lucian nickte.
»Über jemand Speziellen?«, fragte sie. Eins der anderen Mädels kicherte spöttisch. Ihre Freundin fiel ein und die im grauen Top wurde rot. Lucian räusperte sich.
»Mal sehen. Kommt drauf an, was bis dahin passiert.« Ups. Klang das, als würde er mit ihr flirten? Ihre Wangen färbten sich noch röter und er fürchtete schwer, dass es so war.
Lucian, du Volltrottel, dachte er.
Als er sich endlich setzen durfte, war sein Rücken schweißnass. Vermutlich sah man es auf dem schwarzen Shirt nicht und außerdem war es eh sauheiß im Raum. Die Luft, die durch die gekippten Fenster drang, schien aus einem Fön zu kommen.
Natürlich hatte er als Neuer einen Platz ganz vorne bekommen. Der bebrillte Typ, der neben ihm saß, starrte ihn den Rest der Stunde über unauffällig an. Immerhin schwieg er.

Die Ruhe währte nur kurz. Kaum war die Stunde vorbei, bildete sich eine Traube um Lucians Tisch.
»Bist du reich?«, fragte ein ausgesprochen hübsches Mädchen. »Ich meine, mit den Touren und so … Habt ihr da viel verdient?« Ihre Augen glänzten wie Goldbarren.
»Leider nein. Bei einem guten Sommer und einem mittleren Hit kommt nicht so viel rum.« Er zuckte mit den Achseln und packte seinen Rucksack. »Dabei hätte ich nichts dagegen, Porsche zu fahren.«
Sie kicherte. »Und deine Freundin?«, fragte sie und strich betont gelangweilt die rotblonden Haare hinters Ohr. »War die traurig, als du so lange auf Tour warst?«
»Ich hab keine Freundin«, sagte Lucian und holte tief Luft. Gleich, dachte er. Du schaffst das, du alter Feigling.
Augen blitzten um ihn herum auf wie Sterne in der Nacht. Gleich.
»Oh.« Die Rotblonde versuchte, betrübt auszusehen. »Wie schade. Hättest du gern eine? Was für Mädchen magst du?«
»Gar keine.« Lucians Eingeweide krampften sich zusammen. Er wusste, dass er äußerlich vollkommen gelassen wirkte, aber innerlich bestand er nur noch aus harter, starrer Anspannung. »Ich mag Männer.«
Schweigen. Sterne erloschen. Irritiertes Blinzeln aus einem halben Dutzend Augenpaaren. Lucian zwang sich, ruhig zu atmen. Er spürte das feuchte Holz unter seiner Handfläche und die nasse Rückseite seines Shirts und die abartige Hitze, die von draußen über seine nackten Arme floss. War es überhaupt so heiß oder lag das an der Aufregung?
»Ach … so.« Dem rotblonden Mädchen schien nichts mehr einzufallen. »Na dann.«
»Und, äh, hattest du in Hamburg einen Freund?«, fragte eine andere schließlich.
Lucian zuckte mit den Achseln. Er war vollkommen fertig von all dieser Ehrlichkeit. Mehr war gerade einfach nicht drin.
»Was haben wir als nächstes?«, fragte er statt einer Antwort.
»Äh. Musik. Aber das ist nicht hier.« Sein bebrillter Nachbar räusperte sich. »Das ist im Musikzimmer.«
»Gut. Bis gleich.« Lucian lächelte und marschierte an ihnen vorbei. Seine Knie fühlten sich an wie nasse Watte, sein Herz wie ein hyperaktiver Wecker. Aber er hatte es geschafft.
Nicht schlecht, dachte er und genehmigte sich einen Seufzer, sobald er aus der Tür getreten war. Nun wussten es schon doppelt so viele Leute wie bisher. Und er hatte keinen Zweifel daran, dass die Zahl sich exponentiell erhöhen würde. Bis morgen wusste vermutlich jeder Bescheid. Und dann?
Es wird nicht wie damals, dachte er. Ganz bestimmt nicht. Das war … Pech. Und selbst wenn, jetzt kann ich damit umgehen. Ich bin jetzt ein Anderer. Ich bin jetzt stärker und der Erste, der mich auch nur blöd anquatscht, kriegt ’nen Nasenbruch vom Feinsten.
Lucian schluckte. Panik drängte seine Kehle hoch. Nein. Es würde diesmal ganz anders werden. Und er würde ehrlich sein.
Er fand die Toilette und kippte sich so lange kaltes Wasser ins Gesicht, bis er wieder ruhig war. Fast ruhig. Ein wenig ruhiger zumindest. Die Glocke läutete. Wo war eigentlich dieses Musikzimmer? Hätte er jemanden fragen sollen, statt cool davonzuschlendern? Warum fiel ihm so etwas immer erst nachher ein?
Etwas hilflos sah er sich im Flur um. Ganz hinten entdeckte er eine kleine Gruppe und registrierte mit Freude, dass er die Gesichter kannte. Es waren das Mädel im grauen Top, zwei andere und der deprimierte Dunkelhaarige. Den fand er eh sympathisch. Der Typ schien gerade in eine hitzige Diskussion mit dem blonden Kerl vor ihm vertieft zu sein.
Lucian näherte sich. Das Mädel im grauen Top bemerkte ihn. Sie tippte dem Dunkelhaarigen auf die Schulter und deutete auf Lucian. Der fuhr herum. Sein Gesicht war knallrot, die Lippen ein weißer Strich. Oh, er hatte Sommersprossen. Ziemlich süß.
»Hi«, sagte Lucian und lächelte.

Die Uferlosen: Monatsrückblick

Unser Autorenkollektiv war im Juli ganz besonders fleißig. 🙂 Hier ist eine Übersicht der Neuerscheinungen seit Monatsbeginn:

Leann Porter: Crash

Eine atomar verseuchte Welt.
Eine unbarmherzige Zweiklassengesellschaft.
Ein Rebell, der sich auf ein gewagtes Spiel einlässt.

Crash ist ein Outer, ein Verlierer im Regime der Sphere, in der die privilegierten Inners unter einer vor Strahlung geschützten Kuppel leben und die unterdrückten Outers für sich arbeiten lassen. Täglich riskiert er sein Leben bei illegalen Autorennen, um die Medikamente für seinen totkranken Bruder zu finanzieren. Angetrieben wird er von dem Traum, mit seinem Bruder zu den legendären Freien Menschen zu fliehen, die irgendwo außerhalb der Sphere leben sollen.
Ist ausgerechnet sein schärfster Konkurrent, der sein wahres Gesicht verbirgt und nur unter dem Namen Mechaniker bekannt ist, Crashs Schlüssel zur Freiheit?
Das Angebot, das der Mechaniker ihm unterbreitet, ist ebenso verlockend wie gefährlich. Crash nimmt es an und entwickelt im gemeinsamen Kampf gegen eine Intrige ungewollte Gefühle für den arroganten Inner. Kann er dem Mechaniker wirklich vertrauen, oder ist alles, was der ihm versprochen hat, nichts als eine große Lüge, die Crash das Leben kosten wird?

Amazon

Dahlia von Dohlenburg: Der Fluch des Puppenmachers

Eine verregnete Nacht auf einem Jahrmarkt.
Das düstere Zelt einer Wahrsagerin.
„Der Puppenmacher wird dich holen!“

Es ist Jahre her, dass Ben zum letzten Mal an diese Worte gedacht hatte. Und an das junge Mädchen, dem die Wahrsagerin die Prophezeiung zugeraunt hatte. Das junge Mädchen, das seine erste große Liebe war und dessen Leiche man am nächsten Tag in einem Straßengraben fand.

Die Erinnerungen kommen erst wieder hoch, als er Jamie sieht: eine filigran gearbeitete Porzellanpuppe, die dem Mädchen von damals erschreckend ähnlich sieht. Immer wieder kommt er in den Puppenladen, um Jamie zu sehen und schließlich überzeugt er den Puppenmacher Coppola, ihm die eigentlich unverkäufliche Puppe zu überlassen.

Beim ersten Sonnenuntergang muss Ben schließlich erkennen, dass es sich tatsächlich um keine gewöhnliche Puppe handelt: Jamie erwacht zum Leben. Doch das ist nicht die einzige Überraschung, denn trotz Rüschenkleid und Korkenzieherlocken ist Jamie kein hübsches Mädchen …

Amazon: http://amzn.to/2trKYZQ

 

Tanja Rast: Klosterschatz – Der Magie verfallen III

Schwer verwundet wird der Rebell Torik zusammen mit einer Handvoll Nonnen von den machthungrigen Eroberern gefasst, um in der Hauptstadt als abschreckendes Beispiel hingerichtet zu werden.

Doch während einer Rast in einer Klosterruine erscheint Torik die atemberaubende Fiebervision eines hochgewachsenen, muskulösen jungen Mannes. Verblüffend nur, dass dieses Traumgebilde die Gegner mittels einer Schaufel niedermacht und sich während Toriks Genesung als ein rücksichtsvoller vormaliger Mönch namens Livan entpuppt. Zusammen mit den Nonnen schmieden die beiden ungleichen Männer einen Plan, das Reich von dem Joch der Eroberer zu befreien. Bis Livans dunkle Vergangenheit sie einholt …

amazon: https://www.amazon.de/gp/product/B073QB3XL2

Regina Mars: Verdammt magisch

Schwule Fantasy-Romantikkomödie
Norman, Magieschüler und Hobbyschläger, beginnt sein Studium an der Arkanen Universität in Løbago. Endlich kann er der größte Magier aller Zeiten werden! Er wird knochenschmelzende Feuerstürme beschwören, tödliche Eisregen erzeugen und zu einem absolut erstklassigen Helden werden!
Doch nichts läuft wie geplant. Und warum muss er sich ausgerechnet ein Zimmer mit Heimfried teilen? Einem schüchternen Schwächling, der sich kaum traut, seine magische Kraft anzuwenden?
Kann Norman sich mit ihm zusammenraufen? Kann aus Verachtung Freundschaft werden … oder sogar noch mehr?
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Verdammt magisch ist da!

Blogleser kennen die Story schon als „Magische Deppen“, also muss ich diesmal nicht viele Worte verlieren. 🙂 Norman und Heimfried sind auf Amazon gelandet und freuen sich, wenn man sie kauft. Und sie haben sooo ein schickes Cover im Gepäck! Und sogar einen Klappentext (Ich habe wahrlich weder Kosten noch Mühe gespart 😉 )
Den hier:

Norman, Magieschüler und Hobbyschläger, beginnt sein Studium an der Arkanen Universität in Løbago. Endlich kann er der größte Magier aller Zeiten werden! Er wird knochenschmelzende Feuerstürme beschwören, tödliche Eisregen erzeugen und zu einem absolut erstklassigen Helden werden!
Doch nichts läuft wie geplant. Und warum muss er sich ausgerechnet ein Zimmer mit Heimfried teilen? Einem schüchternen Schwächling, der sich kaum traut, seine magische Kraft anzuwenden?
Kann Norman sich mit ihm zusammenraufen? Kann aus Verachtung Freundschaft werden … oder sogar noch mehr?

Enthält: kindische Kalauer, heiße Homoerotik, mächtige Magie und grottenschlechte Groschenromane

Erhältlich als E-Book auf Amazon und als Printbuch in allen fast allen Webshops Deutschlands (bald, manche brauchen leider noch 1,2 Wochen).

Jahresrückblick 2016!

Und mehr.

Viel mehr

Viel, viel mehr

Erster Tag zurück im Büro. Erholt, glücklich und entspannt. 🙂 Gerade habe ich die Printversion von „Aufgetaut“ an Books on Demand übermittelt, damit die Leute, die Print lieber mögen, das endlich auch lesen können.

Und nun … habe ich ein paar Minuten, um über das vergangene Jahr nachzudenken. Das vergangene Jahr als Autorin, darum geht’s auf diesem Blog schließlich. Was habe ich gelernt? Was hat gut geklappt und was ist schiefgelaufen?

Verdammt wenig ist schiefgelaufen, hehe! Okay, da gab’s ein paar Sachen, aber die fallen einfach kaum ins Gewicht, wenn alles andere so 1000x toller lief, als ich es mir erträumt hätte. Ich habe das Jahr als überarbeitete Pendlerin begonnen und als Vollzeit-Autorin beendet. Wenn das nicht super ist, was dann? Wobei ich jetzt nicht aus einem höllischen Schikane-Job geflüchtet bin. Die Arbeit war okay und die Kollegen wundervoll. Aber sich den ganzen Tag lustige Geschichten ausdenken, macht dann doch mehr Spaß.

Jut, Rückblick, von Anfang an …

Dazu muss ich weit ausholen. Ungefähr … 10 Jahre weit. Jupp. Damals hatte ich diese Idee für einen Manga, die ich unbedingt umsetzen wollte. Der Held war ein schlecht gelaunter Punkrocker, der wie so viele Mangahelden, wunderschön, hochintelligent und ein Frauenheld ist. Da mir kein Name einfiel, habe ich eine Freundin gebeten, ihm einen zu geben und sie kam ausgerechnet auf „Pierre“. Und da es mich damals total genervt hat, dass es in den Lovestories, die ich gelesen habe, auch unter Männern immer eine klassische Rollenverteilung zwischen stark („männlich“) und schwach („weiblich“) gab, brauchte ich jemanden, der diesem Pierre ebenbürtig war. Aber anders, sonst wird’s ja langweilig.

So entstand Boris, der gigantische, maulfaule und mürrische Torwart. Der konnte Pierre zwar geistig nicht das Wasser reichen, aber ihm eine reinhauen, wenn er zu frech wurde. Ähm, ja. Und da es gut ist, erstmal den ganzen Text aufzuschreiben, bevor man beginnt, zu zeichnen, habe ich das gemacht. Zwei oder drei Jahre lang.

Irgendwann wurde mir klar, dass ich hier kein Skript schreibe, sondern ein Buch. Ein Buch, das natürlich niemand je lesen wollen würde, schließlich war ich keine Autorin, aber: ein Buch. Und Schreiben hat Spaß gemacht. So sehr, dass ich dranblieb, obwohl es mich oft in den Wahnsinn getrieben hat und ich an meinen eigenen Ansprüchen fast zugrunde gegangen bin. So sehr, dass ich … es beendet habe, als erstes Buch ever. Ich konnte die Jungs einfach nicht hängenlassen. Die brauchten ein Happy End nach dem ganzen Drama und zwar das beste, das ich ihnen schenken konnte.

Inzwischen hatte mich das Schreiben so gepackt, dass ich noch einen unglaublich lehrreichen Schreibkurs hinterher geschoben habe, und dann … kam mir das Leben dazwischen. Oder eher: das Geld. Das musste ich langsam mal verdienen und mit Schreiben war da nichts zu machen. Ich habe mich auf mein anderes Talent konzentriert und wurde Illustratorin. Habe eine Fortbildung in Animation gemacht und ja, das mit dem Geld verdienen hat tatsächlich geklappt (einigermaßen).

Aber in den nächsten Jahren hat mich das Schreiben nie ganz losgelassen. Da waren immer noch Pierre und Boris, deren Geschichte überarbeitet werden wollte. Und ein paar andere Ideen, unter anderem die von dem Kerl, der in Frauenkleidern versehentlich einen Prinzen heiratet … Aber mit sowas kann man ja kein Geld verdienen.

Das klingt jetzt, als wäre ich total geldgeil gewesen, aber ich war hauptsächlich arm. Da denkt man zwangsläufig viel an Geld. Ich habe mir alle möglichen Kompromisse überlegt, wie ich mit Schreiben irgendwie zu meinem Lebensunterhalt beitragen könnte. Wenigstens ein bisschen, soviel, dass es die Miete zahlt oder mal einen Restaurantbesuch finanziert.

Leider gab es ein weiteres Problem, das viele Selbständige kennen: Das Chaos, das ohne geregelten Tagesablauf entsteht. Ich habe es irgendwie geschafft, den Illustrationskram zu erledigen, aber, auch weil ich zuhause gearbeitet habe, war an Schreiben nicht zu denken. Prokrastination auf facebook usw. kam mir wichtiger vor. Lustigerweise habe ich jahrelang, um mich vor dem Schreiben zu drücken, Schreibratgeber gelesen.

Dann, 2013, als es mit Illustration auch noch schlecht lief, habe ich eine Bewerbung geschrieben und wurde genommen. Eine richtige Festanstellung. Allerdings: eine gute Stunde von zuhause entfernt, die ich jeden Tag hin- und herpendeln musste. Freunde, Bekannte und Verwandte waren vollkommen entsetzt, während sich in meinem Kopf eine begeisterte Stimme meldete und rief: „Drei Stunden jeden Tag! Das ist Schreibzeit!“

Und das hat, wunderbarerweise, funktioniert. Endlich hatte ich wieder geregelte Arbeitszeiten und ein festes Zeitfenster, in dem ich schreiben konnte. Im Zug, mit Tablet und Tastatur auf dem Schoß. Nicht immer leicht, dank Schlingern, neugierigen Mitlesern, Schulausflügen und Junggesellinnenabschieden („Zu ihm“ ist mein autobiografischstes Buch). Aber die größte Hürde, meine eigene Faulheit, war überwunden.

Natürlich hatte ich immer den Traum, vom Schreiben zu leben, im Hinterkopf. Mit Gay Romance (von der ich damals noch gar nicht wusste, dass sie so heißt) war das natürlich nicht machbar. Also habe ich erstmal zwei Hetero-Liebesromane und eine Dystopie geschrieben.

Als ich den ersten Liebesroman (Leonie Biersack) herausbrachte, passierte auch gleich … nichts. Ein paar Verkäufe in den ersten Tagen und das war’s dann. Ein typische Selfpublisher-Geschichte.

Entmutigt war ich nicht. Ich wusste, dass es eine Weile braucht, bis man erfolgreich ist. Eine Weile und viele Bücher. Aber meine Autorenseite bei amazon sah verdammt kahl aus mit nur einem läppischen Buch. Und so kam ich auf die Idee, auch noch „No Way„, die Geschichte mit Pierre und Boris hochzuladen. Nur, um mehr wie eine richtige Autorin auszusehen. Große Chancen habe ich mir nicht ausgerechnet. Ich habe den beiden ein schönes Cover gemalt, das Buch hochgeladen, „Gay Romance“ draufgeschrieben und bin schlafen gegangen.

Am nächsten Morgen warf ich einen Blick auf das Verkaufs-Dashboard und kippte fast um. Ich hatte 17 eBooks verkauft! 17! Eine unglaubliche Menge, soviel hatte Leonie Biersack insgesamt nicht eingebracht! Über zwanzig Euro verdient, im Schlaf! Wer hätte gedacht, dass irgendwer außer mir solche Geschichten mochte?!

Insgesamt habe ich in dem Monat über tausend Euro verdient. Dann sanken die Verkaufszahlen und das Ranking und „No Way“ verschwand langsam in den Untiefen des Amazonas, bis die Monatseinnahmen nur noch für einen Restaurantbesuch reichten. Aber das war mir egal. Ich hatte Blut geleckt. Wenn jemand außer mir Gay Romance mit saudummen Witzen liebte, dann würde ich weiterschreiben. Ideen hatte ich über die Jahre genug angesammelt (viel mehr als für andere, „vernünftige“ Bücher) also habe ich losgelegt. 2015 schrieb ich „Funkenflut“ (das eigentlich ein Porno war, erzähl ich irgendwann mal) und „Seine Narben“ und 2016 fing ich an, zu veröffentlichen (Überarbeiten braucht Zeit).

2016!

Uuuuund damit sind wir endlich im Jahr 2016! Meinem Jahr! Das für alle anderen anscheinend furchtbar war, na ja, für mich auch irgendwie, aber halt weder privat noch beruflich. Im Februar brachte ich „Funkenflut“ heraus und es lief genau so gut wie „No Way“. Ich war vollkommen ekstatisch. Meinen Job kündigen konnte ich von dem Geld noch nicht, aber … das war was. Das war ganz bestimmt was.

Ende März veröffentlichte ich „Seine Narben“. Eine Geschichte über einen reichen Schönling, der versucht, seinen armen Mitbewohner loszuwerden und sich versehentlich in ihn verliebt. So wunderbar beknackt, dass ich mal wieder sicher war, dass nur ich an diesem Buch Spaß haben würde und sonst niemand.

„Seine Narben“ ist bis heute mein größter Erfolg. Das erste Mal, dass ich mit Schreiben mehr verdient habe als mit meinem „richtigen“ Job und das mit genau dem lustigen, kitschigen, saudummen Kram, den ich am allerliebsten zusammenspinne!

Und dann war irgendwie alles klar. Ein bisschen Abwägen und ein paar Ermutigungen später habe ich gekündigt. Ab Juni 2016 war ich wieder selbständig.

Regeln, Zucht und Ordnung

Diesmal wollte ich alles (alles!) besser machen als beim letzten Mal. Kein Prokrastinieren mehr! Keine Ängste und Selbstzweifel und Rumgeheule! Da zuhause arbeiten nicht funktioniert hat, habe ich einen Platz in einem Büro voll Kreativer gefunden (Danke, Marcel!). Und ich habe eiserne, knallharte Regeln für meine Arbeit aufgestellt, die ich nie, nimmer, nicht brechen durfte!

Hat eigentlich halbwegs funktioniert. Nur die Regeln sind anders als vorher.

Begonnen habe ich mit diesen fünf:

1. Hab keine Angst
2. Hab Spaß
3. 8:00 – 12:00 Uhr: Schreibzeit
4. Was du anfängst, musst du beenden
5. spätestens 18:00 Uhr: Feierabend

Ein Teil ist geblieben, ein Teil hat sich als unpraktikabel erwiesen. Die festen Schreibzeiten zum Beispiel. Ich dachte damals, dass ich den Vormittag über schreiben würde und den Rest des Tages alles andere erledigen würde (und das ist als selbständige Autorin, Comiczeichnerin und Illustratorin eine ganze Menge). Was soll ich sagen? Klappt nicht. Es fällt mir leichter, die Rohfassung eines Buchs in zwei Wochen in Vollzeit runterzutippen als in vier Wochen halbtags. Und wenn ich mich um das Comicprojekt, das auch noch „nebenbei“ läuft, kümmern muss, ist es leichter, eine ganze Woche dafür zu verplanen als ein paar Stunden zwischendurch. Ich arbeite sozusagen in Blöcken. Die neuen Regeln sind (zurzeit):

1. Schreib!
2. Hab Spaß dabei
3. Hab keine Angst (und wenn du Angst bekommst: Mach es trotzdem)
4. Was du anfängst, musst du beenden
5. Du verdienst ein Wochenende und einen Feierabend

Schwammiger, könnte man sagen. Aber da ich parallel mit festen Wordcounts/Zielvorgaben am Tag (kann man bei Papyrus Autor einstellen) und einem Kalender arbeite, funktioniert es. Die Regeln sind natürlich inspiriert von Heinleins Rules. Bei denen man immer dazu sagen muss, dass es seine Business-Regeln waren. Keine Anleitung zum „schön“ schreiben also, sondern Geschäftsregeln für Berufsschriftsteller und solche, die es werden wollen. Ich fahre bisher sehr gut damit.

Erfolg!

Alles, eigentlich. Oder fast alles. Alle Bücher, die ich für absolute Risikoprojekte gehalten habe, haben begeisterte Leser gefunden. Die Geschichte von zwei Typen, die beide total schlecht im Bett sind und sich ineinander verlieben? 14 5-Sterne-Rezensionen auf amazon. Meine Gay Romance Fantasy-Komödie in der zwei Männer total realistischen Sex auf einem Pegasus haben? Der größte finanzielle Erfolg, seit ich mich selbständig gemacht habe. In all der Zeit kamen exakt zwei Beschwerden, dass das alles viel zu bescheuert wäre.

Ich habe im letzten Jahr mehr wunderbare Autoren und Leser kennengelernt als je zuvor und mehr Bücher geschrieben sowieso. Und das Gruuuuuseligste gemacht, was ich mir früher vorstellen konnte: Eine Lesung gehalten. War eigentlich ganz lustig. Und danach hab ich NOCH MEHR nette Leute kennengelernt. 🙂

Reich bin ich nicht. Wenn ich nicht alle zwei Monate ein neues Buch veröffentliche, wird’s knapp. Aber das ist kein Problem, wenn man so viel Spaß hat. 🙂

Misserfolge

Gerade fällt mir nur einer ein und der ist wahrlich nicht SO schlimm (geärgert hat’s mich natürlich trotzdem). Also: In Autorenkreisen kursieren die unterschiedlichsten Meinungen zum „Weihnachtsgeschäft“. Manche sagen, da kaufen die Leute wie verrückt, da sie gerade Zeit, Weihnachtsgeld und neue E-Reader haben. Andere sagen, dass man auf keinen Fall im Dezember ein neues Buch herausbringen sollte, weil da ALLE neue Bücher veröffentlichen und man in der Masse völlig untergeht. Ich hab’s einfach mal ausprobiert und, äh …

Na ja.

Am 20. habe ich „Aufgetaut“ veröffentlicht. Es ging los wie immer, sogar besser. Aber dann …

So sieht die übliche Verkaufskurve eines eBooks aus:

Bei wirklich jedem meiner Bücher war es so. Erst das „Erster Tag“-Hoch, wenn alle Stammleser zuschlagen. Dann zwei, drei Tage Absinken, dann das zweite Hoch. Da haben die guten, alten amazon-Algorithmen kapiert, was die Leute, die dein Buch gekauft haben, noch gekauft haben. Und unter diesen Büchern wird dein Buch dann angezeigt, d.h. von Leuten entdeckt, die es auf anderem Wege nicht gesehen haben.

So sieht die Verkaufskurve von „Aufgetaut“ aus:

Jupp, das zweite Hoch fehlt. Und wenn man sich das Datum ansieht, weiß man auch warum. Natürlich kauft am Heiligabend niemand eBooks! Na ja, fast niemand. Hätte ich mir denken können.

Habe ich aber nicht.

Danach habe ich auch nichts von Leuten mit neuen kindles gemerkt, die zu Weihnachten ausschließlich amazon-Gutscheine bekommen haben. Also hat das Buch (das mir sehr am Herzen lag, aber das tun sie ja alle …) schlechter abgeschnitten, als es das in jedem anderen Monat getan hätte. Und das ist immer noch nicht SO übel. Nur ein wenig ärgerlich. Ich merke mir das einfach fürs nächste „Weihnachtsgeschäft“ und veröffentliche ab Mitte Dezember keine Bücher mehr. Hab’s mir sogar in den Kalender geschrieben. 🙂

In Zahlen!

In diesem Jahr habe ich  neun eBooks und sieben Printbücher veröffentlicht, neun Cover gemalt, einen Nanowrimo gewonnen und 384.000 Wörter geschrieben. Bin zufrieden.

Und sonst so?

Hm … Mein Lieblingsfilm 2016: Zootopia/Zoomania

Mein Lieblingsbuch 2016:

Dazu habe ich sogar einen Tagebucheintrag gefunden, Moment …

„Ich hab das beste Buch der Welt gelesen. Bis um halb zwölf nachts und um vier war ich wieder wach und hab weiter gelesen. Soooo gut!“ Was soll ich sagen? Mir hat’s gefallen. 🙂

Lieblings YouTube-Review-Dingsbums: Baywatching

Ein Lieblingslied oder -spiel habe ich nicht, weil ich alt bin und sonst …

Oh, Lieblingsserie 2016: Crazy Ex-Girlfriend. Zumindest habe ich das 2016 gesehen, so weit ich mich erinnere. Aber da ich noch nie jemanden davon überzeugen konnte, das zu schauen (bei „Musical“ machen Leute dicht 🙂 ), versuche ich es gar nicht erst.

So, ein erstklassiger Jahresrückblick 2016 (in dem der „2016“-Teil am Kürzesten war, aber egal). Auf ins neue Jahr! Morgen wird geschriiiiieben!!!

Neues Buch: Ehebrecher + Erstes Kapitel

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Seit heute ist mein neuer Roman auf amazon verfügbar. »Ehebrecher« erzählt die stürmische Romanze von Gabriel und Vin, die eigentlich etwas ganz anderes vorhatten: zu verhindern, dass ihre Geschwister heiraten.
Wie man am Cover erkennt, sind die Protagonisten diesmal älter, aber nicht unbedingt klüger.

Kapitel 1:  Date

Selina schmetterte die Tür gegen die Wand.
»Wo ist meine beschissene Strumpfhose? Ich muss scheiße noch mal gut aussehen heute!«
Ihre Schritte lärmten durch die winzige Mietwohnung. Vin und Omi sahen ihr verwundert nach, als sie an ihnen vorbeistampfte. Ein Löffel Babybrei klatschte auf Omis hellblaue Bettdecke statt in ihren Mund, aber Vin achtete nicht darauf.
»Du musst was?«, fragte er seine kleine Schwester. Die riss Schublade um Schublade ihres gemeinsamen Kleiderschranks auf und fluchte vor sich hin. »Seit wann musst du denn gut aussehen? Das ist dir doch sonst wumpe.«
»Hast du wen kennengelernt?« Omis Äuglein begannen zu funkeln. Ein Hauch Rosa erschien auf ihren eingefallenen Wangen und sie richtete sich sogar ein Stückchen von ihrem Krankenlager auf.
»Ja, hab ich«, brummte Selina, ohne das Wühlen in den Schubladen zu unterbrechen. Als wäre das nicht die Neuigkeit des … Jahrzehnts, mindestens. Als hätte sie sich in zweiundzwanzig (!) Jahren je für einen Mann interessiert.
»Einen … Kerl?«, vergewisserte sich Vin. Selina drehte sich zu ihm um und schob ihre Brille höher.
»Ja, was denn sonst?« Sie stemmte die Hände in die Hüften. Vin blinzelte. Sie sah aus wie immer. Brauner Kapuzenpulli, billiges Brillengestell, zottelige, dunkelblonde Haare, die sie zu einem verrutschten Dutt gebunden hatte. Und graue Augen, aus denen ihr messerscharfer Verstand strahlte wie aus einem Leuchtturm. Vin stand auf.
»Wer ist es?«, fragte er mit seiner bedrohlichsten Stimme. Selina grunzte verächtlich.
»Kein Grund, den Beschützer raushängen zu lassen. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Wer ist es?« Er vertiefte den Bass um mindestens eine Stimmlage.
»Ja, wer ist es?«, piepste Omi und hatte wie immer mehr Erfolg als Vin, der einen halben Meter größer war als sie.
»Das werdet ihr nicht glauben.« Selina grinste. »Jemand von meiner Arbeit. Und ratet mal, wer.«
»Ein junger, heißer Kabelträger?« Vin legte den Kopf schief.
»Dein Chef?«, fragte Omi zögernd. »Aber du hast doch gesagt, der ist ein ekelhafter Drecksack. Und du machst seinen ganzen Job für ihn …«
»Nein. Weiter oben. Noch viel weiter.« Selinas Grinsen wirkte fast wahnsinnig. »Bastian Schaller persönlich!«
»Wer?«, fragte Vin in dem Moment, als Omi »Der Schaller?« kreischte.
Er wandte sich zu ihr um. Sie saß aufrechter im Bett, als sie es seit Wochen geschafft hatte, und in ihren Augen glitzerten Sterne.
»Alter, wer zu Hölle ist dieser Schaller?« Er beugte seinen kahlen Schädel zu Omis kahlem Schädel hinunter. »Und woher kennst du den?«
Nun war er sich sicher: Omi wurde rot. Ließ sie gesünder aussehen, als sie seit Beginn der ersten Chemo gewirkt hatte.
»Na, der ist doch der Moderator von »Hallo Schunkelfreunde«. Der hübsche blonde Bub.«
»Der schleimige Typ mit dem Dauergrinsen?« Vin sah Selina an, die bereits wieder in einer Schublade wühlte. »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Warum denn nicht?«, fragte Omi. »Der ist doch knackig.«
»Und reich«, rief Selina aus der Tiefe des Schranks. »Aha!« Triumphierend hielt sie eine hauchzarte schwarze Strumpfhose in die Höhe.
»Schleimig ist der, ohne Ende.« Vin sah die beiden Frauen an, als hätten sie den Verstand verloren. Sie gaben den Blick ebenso zurück.
»Hatten wir nicht gesagt, dass du bei Männern nicht mehr mitreden darfst?«, fragte Omi und sank in die Kissen. Frechheit, die Alte schaute, als wäre er zwölf oder so. »Dein Geschmack ist viel zu schlecht.«
»Genau.« Selina schälte sich aus ihrem Kapuzenpulli. »Ich sag nur Markus.«
Vin verspürte einen Stich, als er den Namen seines Exfreundes hörte. Mitten in der Brust, da, wo er ihn so lange getragen hatte. Vor zwei Jahren hatte Markus sich davongemacht. Kaum, dass es mit Omis Krebserkrankung losgegangen war, hatte er Vin mitgeteilt, dass er nur mit jemandem zusammen sein konnte, der ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte.
»Markus war ein dummes Arschloch.« Omi tätschelte Vins Arm.
»Ein absoluter Fiesling«, bekräftigte Selina.
»Ein Superbösewicht«, murmelte Vin.
Leider stand er auf Superbösewichte. Dass er schwul war, hatte er schon mit sieben Jahren kapiert. In dem Moment, in dem in seiner Lieblings-Trickfilmserie »Space Force Horse« der Bösewicht aufgetaucht war. Dr. Evilhelm Bösbart. Geißel der Galaxis, Cyborg und, zumindest in Vins Augen, der schönste Mann, den er je gesehen hatte.
Wie festgeklebt hatte er vor dem Bildschirm gehockt, um keine Minute zu verpassen, in der Dr. Bösbart diabolisch lachte, sich diabolisch in seinem Sessel drehte und diabolisch zu Abend aß. Er hatte Gänsehaut gehabt, wenn Dr. Bösbart seine unnötig komplizierten Pläne erklärte. Seine Omi hatte es belustigt verfolgt. Als er mit elf eine ewig lange Liste erstellt hatte, in der er Filme danach sortierte, wie hübsch der Böse war, hatte sie es auch noch komisch gefunden.
Aber als er mit sechzehn seinen ersten Freund mit nach Hause gebracht hatte, der prompt Omis Quittenlikör klaute und dann auf Nimmerwiedersehen verschwand? Da hatte sie begonnen, sich Sorgen zu machen.
Jetzt, im reifen Alter von 24 Jahren, sah Vin selbst ein, dass er ein Problem hatte. Es waren ja nicht nur Markus und Ronny, der Quittenlikördieb, gewesen. Sondern auch Mike, der Drogenkurier, Bernd aus der Motorradgang, Anselm, der ihn benutzt hatte, um auf Vins Arbeit im Krankenhaus an hochdosiertes Nasenspray zu kommen … na ja, eindeutig zu viele jedenfalls.
Seit zwei Jahren hatte er nur noch anonyme One Night Stands mit möglichst harmlos wirkenden Kerlen. Er warf einen Blick auf seine Schwester, die nie Probleme mit Männern gehabt hatte. Sie war einfach Single geblieben. Immer. Vin war sich fast sicher, dass sie noch jungfräulich war. Also was sollte der Scheiß mit diesem Volksmusikfuzzi jetzt?
»Bist du verliebt in diesen Volksmusikfuzzi?«, fragte er. Selina starrte ihn an, dann lachte sie laut auf.
»Scheiße, nein!« Sie stemmte die Hände in die Hüften. Mittlerweile war sie nackt bis auf die schlichte weiße Unterwäsche. »Aber er hat Geld. Richtig viel Geld.«
Vin fühlte sich, als hätte er zehn Liter Eiswasser gesoffen. Was?
»Na und?«
»Na, das ist meine Chance!«, rief sie. »Mein Ticket raus aus dem Dreck hier. Und wenn ich es richtig anfange, auch für euch.«
Der Dreck hier war die mickrige Zweizimmerwohnung, in der sie hausten. So voll gestellt mit Krempel, dass die Zimmer noch winziger wirkten. Ein Zimmer für Omi, eins für die Geschwister. Wenn Vin Männerbesuch hatte, schlief Selina auf einer Luftmatratze zu Füßen von Omis Krankenbett, wozu sie den Esstisch hochklappen und an die Wand lehnen musste.
Schön war es echt nicht. Die Tapeten waren vergilbt, der Teppichboden abgetreten und löchrig und die Fenster so undicht, dass ständig ein leichter Lufthauch ging. Ungünstig für Omi. Sie musterte Selina, nun nicht mehr so begeistert.
»Du magst das Sahneschnittchen gar nicht?« Ihr kahler Schädel neigte sich.
Selina zuckte mit den Schultern.
»Du willst nur was mit ihm anfangen, weil er Geld hat?« Vin sprang auf. »Was ist das denn für eine Schnapsidee? Was ist mit Jura zu Ende studieren und selber Kohle machen?«
»Tu ich doch. Und es dauert noch ewig.« Selina schob die Unterlippe vor. »Ein Plan B kann nicht schaden, oder?«
»Doch, kann er.« Vin packte ihre schmalen Schultern. Sie wirkten so zerbrechlich in seinen Pranken. »Du kannst doch nicht einfach … Was hast du vor? Mit ihm in die Kiste hüpfen, seine Geliebte werden und dann hält er dich aus?«
»Viel besser.« Ihr Blick war hart. »Ich werde seine Frau.«
»Waswiewas? Hat er dir schon ’nen Antrag gemacht?«
»Natürlich nicht.« Sie nahm seine Handgelenke und entfernte seine Finger von ihren Schultern. »Er hat nur gefragt, ob er mich zum Essen einladen darf.«
»Und wieso verdammt denkst du, dass er dich heiraten will?«
»Das wird er.« Ihre Augen glitzerten eiskalt. Einen Moment lang machte Vin sich mehr Sorgen um diesen armen Volksmusikfuzzi als um seine liebe kleine Schwester. Die gerade die schwarze Strumpfhose über ihre hübschen Beine rollte. »Ich werde ihn verführen. Sowas von, das hast du noch nicht gesehen.«
»Was?« Vin lachte auf. »Was verstehst du denn davon, du große Verführerin? Du hattest ja noch nie einen Freund.«
»Ich krieg raus, wie das geht. Verlass dich drauf. Ich wette, ich kann das besser als du mit deinen schwerstkriminellen Stechern.«
»Einen Teufel kannst du! Omi, sag was! Du willst doch nicht, dass sie ihre Zukunft wegwirft für so ein Scheiß-Hirngespinst.«
Omi sah sich im Zimmer um. Sie betrachtete die verblichene Tapete und die schiefen Spanholzmöbel, die wirkten, als würden sie ihnen jeden Moment auf den Kopf krachen.
»Die Strumpfhose hat ein Loch«, sagte sie. »Da, an der Wade.«
»Was? Verdammt!« Selina blickte auf die münzgroße Stelle, die ihre helle Haut freiließ. »Das war die Einzige, die ich noch hatte.«
»Nimm Schuhspray«, sagte Omi. »Die schwarze Dose in der obersten Schublade im Flur. Guck nicht so, das funktioniert. Und Männer stehen auf den Geruch. Erinnert sie an Motorräder oder so.«
»Super Idee! Danke, Omi!«
Wie kam Vin eigentlich zu dem Ruf, dass er nichts von Männern verstand? Die beiden waren doch viel schlimmer und außerdem war er selbst ein Kerl …
Er zwang sich, tief durchzuatmen. Ruhig zu bleiben. Als ob Selina es schaffen würde, diesen Schaller abzuschleppen. Omi hatte Vin einmal gezwungen, diese beknackte Sendung anzugucken. Diesem schleimigen Blondschopf hatten die Weiber zu Füßen gelegen. Die meisten von denen waren im Rentenalter gewesen, aber trotzdem … Als ob sein Mauerblümchen von einer Schwester diesen Schleimer überreden könnte, sie zu heiraten. Auf keinsten.
Eine Viertelstunde später hatte Selina sich irgendwie in einen Filmstar verwandelt: kurzes, schwarzes Kleid, lange Beine in geschnürten High Heels, seidige Haare und ein feuchtglänzender Erdbeermund. Vin riss die Augen auf. Omi pfiff ihr hinterher, als sie aus der Tür verschwand, viel zu flink, als dass Vin sie hätte aufhalten können.
»Kacke«, murmelte er, als Selinas Schritte im Flur verklangen. »Was … was macht sie denn?«
Er ließ sich schwerfällig auf Omis Bett sinken und starrte auf die Stelle, an der seine urplötzlich erblühte Schwester eben noch gestanden hatte.
»Ach, Kurzer.« Omis faltiges Händchen strich über seine baumstammdicken, tätowierten Arme. »Du weißt doch, wie sie ist, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat. Dieser Schaller wird die Nacht seines Lebens haben. Und wenn’s uns allen was bringt … Möglich wäre es zumindest.«
»Aber das kannst du doch nicht gut finden, Omi. Dass sie einfach so … dass sie was mit einem anfängt, den sie nicht mal liebt.«
»Liebe ist nicht alles, Junge.« Ihre Stimme klang müde. »War sie nie und ist sie auch heute nicht, egal, was die im Fernsehen sagen.«
»Doch, ist sie.« Vin war selbst klar, dass er wie ein trotziger kleiner Junge klang. Ein trotziger kleiner Junge in einem muskelbepackten Zwei-Meter-Körper mit einem Gesicht, das Leute angsterfüllt die Straßenseite wechseln ließ. Machte den Job als Krankenpfleger nicht leichter, wenn die Patienten sich vor einem fürchteten. Vin hatte sich angewöhnt, viel zu lächeln und laufend Witze zu reißen. Meistens half es.
»Du bist halt zu romantisch, Kurzer. Deshalb fällst du auch immer auf diese Spacken rein.«
»Nicht mehr.« Er räusperte sich. »Seit Markus nicht mehr. Kann aber nicht sagen, dass ich mehr Spaß hab als früher.«
»Ja, die letzten Kerle, die du hier angeschleppt hast, waren ziemliche Waschlappen. Waren die … devot?«
Vin zuckte zusammen. Bewegte sich das Gespräch gerade in die Richtung, dass er mit seiner Omi über Sex sprechen würde? Bitte nicht.
»Ne, äh, ja, ich glaub schon. Keine Ahnung. Ist halt so. Irgendwie ziehe ich die an. Bin eben so ein Brocken, dass die zu mir kommen, wenn sie mal richtig … äh …« Richtungswechsel!, schrie sein Gehirn. »Also … ich glaub jedenfalls nicht, dass das mit Selina und Schlagerboy was wird.«
»Ach, aber das wär doch schön. Ich würd mich freuen, wenn sie endlich die Liebe in ihr Herz lässt.«
»Ist das etwa so ein »Hallo Schunkelfreunde«-Lied? Lass die Liebe in dein Herz?«, knurrte er.
»Ne, das ist von der Karin Schaller.« Omi seufzte. »Als ich die Liebe in mein Herz ließ, da erblühten alle Rosen. So ein wundervoller Text. Viel zu früh von uns gegangen, die Karin.«
»Du redest immer, als hättest du sie gekannt.« Vin lächelte. »Dabei … Moment mal, Schaller? Ist die mit Selinas Date verwandt?«
»Ja klar, der Bastian ist doch ihr Sohn. Wusstest du das nicht?«
»Ne, woher denn?«
»Na, aus der Presse. Und im Fernsehen kam das auch, damals, als sie gestorben ist.«
»Das hat mich ’nen Scheiß interessiert damals. Wie alt war ich da? Vierzehn?« Und komplett damit beschäftigt, seinen ersten Kuss zu verarbeiten, während seine Kumpel damit rumgeprotzt hatten, wie viele Weiber sie schon flachgelegt hatten. Na ja, die meisten dieser Storys hatten sich eh als dreckige Lügen entpuppt.
»Zehntausend Rosen hat ihr Mann auf ihr Grab gelegt. Ich hab die Bilder in der Frauenpostille gesehen. Der muss sie sehr geliebt haben. Und ’nen Springbrunnen hat er ihr gebaut.«
»Was, auf’s Grab?«
»Ich sag doch, die haben Kohle.« Omis Blick wanderte in die Ferne. »Selina hat nicht unrecht, weißt du? Hätten wir damals mehr Geld gehabt, hättest du die Schule weiter machen können. Dann hättest du studieren können. Ein richtiger Arzt könntest du sein, nicht nur ein Pfleger.«
»Ich bin gern Pfleger, Omi.«
»Ja, aber verdienen tätest du mehr als Arzt. Und ’ne eigene Wohnung hättest du auch, nicht nur ein halbes Zimmer hier.«
»Das ist mir scheißegal«, brummte er. Das Einzige, das ihn wirklich störte, war, dass sie sich keine Pflegekraft für Omi leisten konnten. Selina und er teilten sich die Last und trotzdem mussten sie sie noch viel zu oft allein lassen. Oft fürchtete er, während er im Fitnessstudio war, dass sie gerade aus ihrem Bett gefallen war, Durst hatte und nicht aufstehen konnte, oder … Er schüttelte den Kopf.
»Ich muss gleich zur Nachtschicht, Omi. Brauchst du noch was?«
»Ich hab alles, Junge. Amüsier dich gut.«
»Auf der Arbeit?«
»Kannst ja danach in diese Bar.« Sie zwinkerte ihm mit ihrem wimpernlosen Lid zu. »Du weißt schon, wo du andere junge Männer triffst. Die haben früh morgens noch auf, oder? Bring ruhig wen mit, ich hör eh nicht mehr viel.«
»Äh, ich überleg’s mir.« Er küsste ihre knochige Stirn. »Und schreib mir ’ne Nachricht, wenn Selina heimkommt.«
»Vielleicht kommt sie ja nicht heim.«
Vin knurrte und stand auf. Es war zu früh, um sich Sorgen zu machen. Wahrscheinlich stellte Selina nach einem Abendessen fest, dass dieser Volksmusikfuzzi so hohl wie langweilig war. Auf keinen Fall würde sie ihr Leben mit so einem verbringen wollen. Und falls doch, würde er das halt verhindern. Egal, wie.

 

… mehr gibt’s wie immer bei „Blick ins Buch“ auf amazon. Mir fiel allerdings auf, dass die Leseprobe dort an einer Stelle endet, an der die beiden sich noch nicht mal kennengelernt haben.  Schade eigentlich. Sobald sie sich erblickt haben, geht es nämlich ziemlich schnell und ziemlich heftig zur Sache.  Nicht, dass das geplant war. Die beiden haben ihren eigenen Kopf. 🙂

Schreib-Neuigkeiten: Das neue Buch (Arbeitstitel „Schlecht im Bett“) hat Fahrt aufgenommen und ist auch nicht mehr ganz so melancholisch. Gut, gut. Fein, fein. Hoffen wir, dass es so weiter geht. Und ja, es geht um zwei Typen, die schlecht im Bett sind. Perfektes Material für einen Liebesroman, finde ich.

Heutiger Wordcount: 3.641 Wörter in ca. 4 Stunden
Wordcount »Schlecht im Bett« (Arbeitstitel) insgesamt: 14.687 Wörter

Lieblingsstelle heute:
»Dein Kumpel ist schon da«, sagte sie mit ihrer überraschend klangvollen Stimme und deutete hinter sich.
»Was? Wer …«
Marek. Was machte der hier? So, wie er sich an dem halb leeren Bierkrug festhielt, lautete die Antwort: Saufen.

Seine Narben Gratis!

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Vom 15. bis zum 19. Juni ist Seine Narben (E-Book) kostenlos auf amazon erhältlich. 🙂 Wer es also noch nicht gelesen hat: Zugreifen!

Warum eine Gratisaktion?

Ich hoffe, dass auf diesem Wege ein paar neue Leser ins Gay Romance-Genre finden. Wenn ich erzähle, was ich so schreibe, haben die meisten noch nie davon gehört, dass es das überhaupt gibt. Oft entdecken sie Gay Romance erst über meine Bücher. Mal schauen, ob Seine Narben ein gutes „Probierhäppchen“ ist. 🙂 Im schlimmsten Fall bekomme ich ein paar schlechte Rezensionen, im besten Fall finde ich neue Leser. Und das wäre doch super, oder?

Vielen Dank an EBook-Topdeals für’s Weitersagen. 🙂

Neues Buch: Zu ihm

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Das neue Buch ist recht kurz geworden. Vielleicht, weil ausführliche Sexszenen und abgrundtief böse Eltern fehlen (obwohl die von Victor nicht unbedingt nett sind). Dafür gibt´s ein Road Movie, eine nicht ganz einfache Freundschaft, zwei(!) Stripeinlagen und am Ende doch eine gehörige Portion Romantik. 🙂

Oder, in anderen Worten:

»Was willst du denn in Karlsruhe?«, fragte sie.
»Victor ist in Karlsruhe.«
»Ja, und?«
Noel muss Victor sehen. Sofort. Victor, seinen größten Rivalen im Fußballteam und bei den Frauen. Victor, den arroganten Eisklotz. Da ist eine Sache, die Noel nicht ungeklärt lassen darf, egal, was sich ihm in den Weg stellt. Leider ist das eine ganze Menge.
Unterwegs zu seinem Konkurrenten scheint sich die halbe Welt gegen Noel zu verschwören … aber ist Victor wirklich sein Konkurrent? Oder verbergen sie durch ihre Feindseligkeit Gefühle, die sich keiner von beiden eingestehen will?
Jetzt und vermutlich für immer zum Sonderspezialpreis von nur 0,99 Euro auf amazon!

Neues Buch: Seine Narben

Mein neuer Roman ist draußen: Seine Narben. Wovon er handelt?

(hüstel)

Einfach alles an Matt ist falsch. Er hat kein Geld, keine Manieren und keinen Respekt vor Stan. Stan, dem ungekrönten König des Internats Schloss Hoheneck. Stan, dem reichen Adelsspross: Beliebt, gutaussehend und, wenn er je ehrlich zu sich wäre, verdammt einsam. Aber das ist er aus Prinzip nicht.
Warum wird ausgerechnet Matt sein Mitbewohner? Stan muss ihn loswerden. Wenn nötig, dann mit miesen Tricks und einem hinterhältigen Plan. Einem Plan, der beinhaltet, dass er Matt verführt? Sollte kein Problem sein, schließlich ist Stan ein berüchtigter Playboy. Kann es mit einem Jungen so anders sein als mit einem Mädchen?
Ja.
Kann es.
Eine Katastrophe folgt auf die nächste und schließlich fragt sich Stan, wer hier eigentlich wen verführt …

Ja, ich habe mal wieder einen richtig arroganten Protagonisten geschrieben. Stellt euch Pierre aus „No Way“ vor, wenn er schwerreich und adlig wäre. Irgendwie mag ich solche Charaktere. Vielleicht, weil ich dann weniger Hemmungen habe, ihnen furchtbare Dinge anzutun? Kann schon sein …

Außerdem gibt es auf vielfachen Wunsch diesmal mehr Erotik. Ein wenig zumindest. Passte einfach in die Story und ich finde es ganz gut so.

So, auf zum Schreiben des nächsten Buchs, in dem es … weniger Sex gibt als je zuvor. Dafür hat die nächste Hauptfigur ausnahmsweise Eltern, die weder tot noch unbeschreiblich böse sind. 🙂

Neues Buch: Funkenflut

Endlich habe ich wieder in meinem Lieblingsgenre Gay Romance geschrieben. 🙂 Und darum geht es:

***

Windumtoste Klippen, an denen sich mächtige Wellen brechen. Tiefschwarze Nacht. Hoch auf den Felsen thront das Internat Burg Rabenstein. Welches Geheimnis verbirgt das dunkle Gemäuer?
Chris würde es gern herausfinden. Aber kann ein verpeilter Chaot wie er das überhaupt? Er schafft es ja nicht mal, Julien aus dem Weg zu gehen, der zwar ein humorloser Streber ist, aber leider auch verdammt attraktiv …

Zitat: „Ich werde ihn küssen. Der Gedanke war plötzlich da und ließ mich zusammenzucken. Wenn ich nicht auf der Stelle etwas dagegen unternahm, würde ich Julien küssen, hier im Bus, vor allen. Ich biss mir auf die Lippen, um den Drang zu unterdrücken, aber schon waren unsere Gesichter sich so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spürte …“

***

Das Schreiben war diesmal etwas ganz Besonderes, denn es hat mehr Spaß gemacht als je zuvor. Zwischen No Way (meinem letzten Gay Romance Roman) und Funkenflut liegen drei Bücher, bei denen das Schreiben zwischen „Läuft ja ganz gut“ bis „Oh Gooott, erlöse mich, das ist so furchtbar“ wechselte. Diesmal hatte ich soviel Freude daran, dass ich gar nicht mehr aufhören wollte. Merkt man auch daran, dass Funkenflut ungefähr so viele Enden hat wie Die Rückkehr des Königs. Vermutlich liegt´s am Genre. Ich glaube, ich bleibe Gay Romance erstmal treu.